Gerücht

Aus Fahrradmonteur
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Ein hartnäckiges Gerücht

Wozu noch Schlauchreifen, wenn doch fette Breitreifen viel besser sind?

Im Internet kursiert ein Gerücht: der Rollwiderstand von Fahrradreifen sei bei breiten Reifen geringer als bei schmalen. Das ist Nonsens, diese Seite soll darüber aufklären, was dahintersteckt und warum das nur Quatsch sein kann. – Die aktuellen Forschungsergebnisse zum Thema findet man hier: https://www.renehersecycles.com/12-myths-in-cycling-1-wider-tires-are-slower/ und hier: https://www.renehersecycles.com/the-science-behind-the-tire-pressure-calculator/ Was zählt, ist auf der Straße, nicht auf der Stahlrolle im Labor. Man muss das Gesamtsystem Fahrrad-Mensch untersuchen.

Da kommt jetzt also für Fahrräder das gleiche Marketinggeschwätz wie bei Autos. Breite Reifen werden als schick angepriesen, nun muß noch ein technisches Argument her. Autos in der Formel 1 fahren ja auch ewig breite Schlappen, sportlich getrimmte PKW ebenfalls. Daß die Rollreibung bei denen vernachlässigbar ist, weil sie ja nicht mit menschlicher Muskelkraft angetrieben werden, das wird erstmal verschwiegen.

Dieses Gerücht ist zusammen mit der Einführung der überbreiten Reifen entstanden, die (ebenfalls als Marketingmaßnahme) die Bezeichnung 29" erhalten haben. Diese "29Zöller" sind nichts weiter als dickere Versionen normaler Reifen. Und eben diese dicken Reifen sollen nun per Herstellerfeststellung nicht nur ebenbürtig sein sondern eine geringere Reibung aufweisen als dünne Exemplare :-)


Ursprung ist eine Behauptung des Reifenherstellers Schwalbe,

Schwalbe Homepage 1
„Warum rollen breite Reifen leichter als schmale?“.

Diese Aussage ist nur so lange wahr, wie breite und schmale Reifen mit gleichem Luftdruck betrieben werden. Dies ist jedoch niemals der Fall, wie weiter unten ausführlicher mittels Aussagen von Christian Smolik und Sheldon Brown dargelegt wird.

Das Ganze ist nichts weiter als eine Marketingmaßnahme der Firma Schwalbe! Dicke Reifen haben – auf ebener Fläche – nur dann einen kleineren Rollwiderstand, wenn sie den gleichen Reifeninnendruck wie dünne Reifen aufweisen. Ein Schlauchreifen ist jedoch mit 2 Bar nicht fahrbar, ein Big Apple verträgt keine 8 Bar, der platzt vorher. Die oben genannte Aussage ist wertlos, wenn man in einer Stadt ohne Kopfsteinpflaster und andere Unebenheiten fährt.

Schwalbe selbst relativiert die Aussage an anderer Stelle,

Schwalbe Homepage 2
Breite Reifen rollen nur bei gleichem Luftdruck leichter. Schmale Reifen kann man aber mit einem höheren Luftdruck betreiben als breite.

Nur bis dort hin lesen die meisten nicht, sie merken sich nur, dass die dicken Dinger besser wären als dünne. Prima eingefädelt, keine direkte Falschaussage aber trotzdem Konsumentenverdummung.

Schwalbe sagt somit selbst, was los ist - man muß es nur lesen.

Unter der Annahme eines Reifens, der zylindrisch ist, kann man über die sogenannte "Kessel(druck)formel" zeigen, dass Durchmesser des Zylinders (=Reifenbreite) multipliziert mit dem Reifendruck eine Konstante sein sollte. Dann erhält man in erster Näherung die gleiche Federhärte des Reifens, wenn man annimmt, dass sich der Reifenquerschnitt zur Ellipse verformt.

Weiterhin ist zur besagten Veröffentlichung von Schwalbe zu erwähnen, dass sie in dieser den Mantel ausserhalb ihrer eigenen Spezifikationen betreiben- der Reifendruck ist höher als zulässig. Das schadet dem Mantel nicht, aber es kann die Felge durch Aufbiegen zerstören. Die Kräfte kann man wiederum mit der Kesseldruckformel (vgl. Wikipedia) berechnen.

Der Rollwiderstand eines Reifens ist eben massgeblich durch die Walkarbeit gegeben und hier spielt die Feinheit der Karkasse die entscheidende Rolle. Hiefür existiert auch ein Maß tpi (treads per inch, Fäden pro Zoll). Hier gilt für den Rollwiderstand "je höher, desto besser", wobei die Karkasse dadurch immer empfindlicher wird und man greift dann zu Pannenverhinderungsmaßnahmen, bei denen eine Lage zwischen Gummi und Karkasse eingebettet wird. Diese Lage "kostet" dann wieder Rollwiderstand.