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== Etymologie und Wortgeschichte ==
Das Wort ''Tristesse'' wird in Deutschland seit Ende des 18. Jahrhunderts verwendet. Es Der Begriff ist ein Lehnwort aus dem [[Französische Sprache|Französischen]]. Nach [[Friedrich Seiler]] wurde der Begriff er aus einem Bedürfnis nach reicherer und feinerer Abtönung des Ausdrucks, das aus einer zunehmenden Vertiefung und Verfeinerung der Anschauung resultiert, zusammen mit einer ganzen Reihe von Beiwörtern übernommen.<ref name="seiler">Friedrich Seiler: ''Die Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel des deutschen Lehnworts''. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle an der Saale 1912, S. 213ff.</ref>
Bei der Entlehnung des Worts fand ein Bedeutungswandel statt, bedeutet Tristesse im Französischen noch einfach „Traurigkeit“, erhielt der Begriff im Deutschen eine ästhetische Dimension. Eine enge Verzahnung zwischen Emotion und Ästhetik ist jedoch schon alt. [[Augustinus von Hippo]] fragte in seiner Schrift ''[[De vera religione]]'' schon im 4. Jahrhundert: ''Quaeram utrum ideo pulchra sint, quia delectant; an ideo delectent, quia pulchra sunt.'' (Sind die Schönen Dinge deshalb schön, weil sie Freude bereiten, oder bereiten sie Freude, weil sie schön sind?)<ref name="hippo">Augustinus von Hippo: ''De vera religione'', Kapitel 32.</ref> Eine Verwendung emotionaler Termini zur Beschreibung ästhetischen Empfindens ist zudem im Deutschen häufig (Beispiele: ''ein trauriges Bild'', ''ein freundliches Arrangement'').
Das lateinische Wort ''tristis'' geht wiederum auf das [[Altgriechische Sprache|altgriechische]] δρίμύς (''drimos'') zurück, das mit „durchdringend, scharf, herb oder bitter“ übersetzt wird.<ref name="osthoff">Hermann Osthoff: ''Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen.'' Olms, Leipzig, Nachdruck 1974. ISBN 3-487-05080-3</ref> Verwandtschaft scheint aber auch zum [[Altenglische Sprache|angelsächsischen]] ''priste'' in der Bedeutung „kühn, dreist“ und ''praestan'', das „drücken“ bedeutet, zu bestehen. [[Wurzel (Linguistik)|Sprachwurzel]] wäre dann ''treis'', das mit „pressen“ übersetzt wird.<ref name="lewis">Henry Lewis und Holger Pedersen: ''A Concise Comparative Celtic Grammar.'' 3. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1989. ISBN 978-3-525-26102-6</ref>
== Wahrnehmung des Tristen == [[Bild:2006-tallinn-15.jpg|thumb|right|Tristesse in einer verregneten Altstadt]] Kunstwerke gelten dann als schön, wenn sie facettenreich, reichhaltig und sinnstiftend sind.<ref name="schurian">Walter Schurian: ''Psychologie Ästhetischer Wahrnehmungen''. Westdeutscher Verlag, Obladen 1986, Seite 61, ISBN 3-531-11793-9.</ref> Eine solche „schöne“ ästhetische Wahrnehmung lässt den Betrachter ein [[Glück]]s<nowiki>gefühl</nowiki> empfinden. So schrieb zum Beispiel [[Ludwig Wittgenstein]]: : „''Und das Schöne ist eben das, was glücklich macht.''“<ref name="wittgenstein">Ludwig Wittgenstein: ''Schriften. Tagebücher 1914–1916''. Frankfurt am Main 1960, Seite 179.</ref> Sparsame, abstrakte und triste Kunstwerke werden in der Regel als weniger schön empfunden und hinterlassen einen nachdenklichen, eher an die [[Kognition]] oder das formal-logische Denken im Sinne [[Jean Piaget|Piagets]] gerichteten, Eindruck. Sie erzeugen sogar eine eher traurige Stimmung. In einem Versuch der vergleichenden Bildbeurteilung, in dem Probanden eher triste Bilder von [[Piet Mondrian]] und farbenfrohe, fröhliche Bilder von [[Friedensreich Hundertwasser]] gezeigt wurden, gaben fast alle Teilnehmer an, dass die fröhlichen Bilder Hundertwassers schöner sind. 71 % der Befragten gaben an, dass ihnen kräftige Farben generell besser gefallen als blasse Farben.<ref name="schurian2">Walter Schurian: ''Psychologie Ästhetischer Wahrnehmungen''. Westdeutscher Verlag, Obladen 1986, Seite 71. ISBN 3-531-11793-9</ref> Diese Verbindung von ästhetischem Eindruck und Emotion wird zum Beispiel in der [[Kunsttherapie]] verwendet, indem depressive Patienten angehalten werden, bunte Farben zu verwenden. Auf der anderen Seite gelten triste Bilder als [[Ehrlichkeit|ehrlicher]] und realistischer. Bunten, fröhlichen Kunstwerken wird oft vorgeworfen, die Welt zu optimistisch zu zeigen oder sie zu entstellen.<ref name="schneider">Peter Schneider: ''Alltag und Exotik''. Nexus Verlag, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-923301-29-4.</ref> Versucht eine betont anti-triste Darstellung traurige Aspekte zu übertünchen, wird dies wieder als eher depressiv wahrgenommen. So schreibt zum Beispiel [[Joyce McDougall]] über die [[Lesben- und Schwulenbewegung|Schwulenbewegung]]: : „''Die fröhliche ‚Tunten‘-Welt der Homosexuellen wird in zahlreichen Bars vorgeführt, doch ihre Farbenpracht und ‚gaiety‘ verbergen nur notdürftig ihre depressiven und häufig quälenden Aspekte.''“<ref name="mcdougall">Joyce McDougall: ''Plädoyer für eine gewisse Abnormalität.'' Psychosozial-Verlag, Frankfurt am Main 1985, Seite 61. ISBN 3-89806-113-2</ref> === Alltag und Massenproduktion === [[Bild:Fiber optics testing.jpg|thumb|right|Die Gleichförmigkeit industrieller Massenproduktion steht für Monotonie und Tristesse]]Für viele Menschen ist der Begriff [[Alltag]] zum Inbegriff von Tristesse geworden. Ihnen fällt es schwer, sich an die Monotonie routinemäßig ablaufender Zeitzyklen zu gewöhnen. Insbesondere die Alltagsverliebtheit des abfällig bezeichneten [[Spießbürger]]tums und des [[Kleinbürger]]tums wird häufig als trist empfunden. Sie wurde Motiv vieler künstlerischer Umsetzungen; besonders [[Hermann Hesse]] ist bekannt für seine Hassliebe auf die [[Pedanterie]] der Bürgerlichkeit.  :„''Ich habe das gern, auf der Treppe diesen Geruch von Stille, Ordnung und Sauberkeit, Anstand und Zahmheit zu atmen, der trotz meinem Bürgerhass immer etwas rührendes für mich hat, und ich habe es gern, dann über die Schwelle meines Zimmers zu treten, wo das alles aufhört, …''“<ref name="hesse">Hermann Hesse: ''Der Steppenwolf.'' in ''Gesammelte Werke, Band 10.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987. Seite 208. ISBN 3-518-38100-8''</ref> Andererseits erfreut sich der Alltag auch immer wieder einer großen Beliebtheit. [[Siegfried Kracauer]] entdeckt sogar eine neue „''Exotik des Alltags''“.<ref name="kracauer">Siegfried Kracauer: ''Die Angestellten.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1980. Seite 11. ISBN 3-518-36513-4</ref> In der Tat scheinen viele Menschen bemüht zu sein, die Tristesse des Alltags zu überwinden. Oft wird auch die [[Fließbandfertigung]] und die industrielle Massenproduktion zur [[Metapher]] für das Gefühl der Tristesse. Die Vorstellung, unter Zwang immer wieder den gleichen Handgriff auszuführen, wirkt auf viele Menschen geradezu grotesk. Diese triste Umgebung wird zum Beispiel im Film [[Moderne Zeiten]] von [[Charles Chaplin]] karikiert. == Tristesse in der Kunst == Auch wenn ein trister Eindruck in der Kunst generell eher unerwünscht ist, wurde die Tristesse immer wieder zum [[Sujet]], um eine gewisse Düsternis oder die menschliche Geworfenheit und Aussichtslosigkeit darzustellen. === Literatur – Bonjour Tristesse ===
[[Bild:Bonjour Tristesse.png|thumb|right|[[Bonjour tristesse]] – Buchdesign von Roberto de Vicq de Cumptich]]
1954 erschien in Frankreich ''[[Bonjour tristesse]]'', der erste Roman der 18-jährigen [[Françoise Sagan]] über die Trauer des Erwachsenwerdens. Ihr Buch wurde ein internationaler Bestseller und bereits 1958 durch [[Otto Preminger]] verfilmt ([[Bonjour Tristesse]]). Der Romantitel wurde im Deutschen zum geflügelten Wort.
 
=== Musik ===
 
In der [[Musik]] wird Tristesse vor allem durch [[Monotonie (Phonetik)|Eintönigkeit]] erreicht, aber auch schwere [[Moll (Musik)|Moll]]-Akkorde erzeugen beim Hörer ein düsteres, tristes Empfinden. Fritz Göttler beschreibt [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozarts]] ''[[Die Zauberflöte]]'' als Inbegriff der europäischen Tristesse.<ref name="goettler">Fritz Göttler: {{Webarchiv|20070719121624|http://www.stadtmuseum-online.de/aktuell/progheft10.pdf|Im Geiste Mozarts}}, ''[[Filmmuseum München]], Programmheft 01/07'' (PDF) (archiviert bei [[Internet Archive]])</ref> Generell gilt, dass der Eindruck, den eine Musik hinterlässt, umso trister ist, je häufiger sie gehört wird. Gute Musik kann jedoch dazu dienen, phantastische Freiräume zu schaffen – als Ansporn, der tristen Realität zu entfliehen.
 
[[Bild:Water drop animation enhanced small.gif|thumb|left|[[George Brecht]] vertonte das Tropfen eines Wasserhahns]]
 
Das Empfinden von Musik ist aber sehr stark mit dem [[Zeitgeist]] verknüpft. Zum Beispiel galt [[Techno]], eine Musikrichtung, die stark auf das Stilmittel des [[Repetitives Arrangement|repetitiven Arrangements]] zurückgreift und der so durch ständige Wiederholung einzelner kurzer Fragmente eine gewisse Eintönigkeit innewohnt, in den 1990ern als Symbol für sexuelle Freiheit oder sogar [[Hedonismus]]. Fast 20 Jahre später hat sie diese Rolle aber eingebüßt und die innewohnende Tristesse steht stärker im Vordergrund, wie ein namenloser Kritiker bei einer CD-Kritik betont:
 
: ''Nun ''([[sic]])'' zehn Jahre später, hat das Modell Techno längst nicht ausgedient, ist aber wieder entweder in jene Subkultur zurückgekehrt, aus der es ursprünglich kam, oder feiert nach wie vor in Großraumdiscos ein gleichsam verwässertes wie schales Dasein, das an biederer Tristesse wohl gemeinhin nicht zu überbieten ist.''<ref name="pro7">[http://www.prosieben.de/music_cd/showmusic/index.php?6331 CD-Kritik auf Pro7.de]</ref>
 
[[Joachim Bessing]] beschreibt in seinem Buch ''Tristesse Royal'' sogar,<ref name="bessing">Joachim Bessing: ''Tristesse Royal. Das popkulturelle Quintett. '' List, Berlin, 2001. ISBN 3-548-60070-0</ref> dass die Empfindung von Musik stark von den Menschen abhängt, die diese Musik hören. So schreibt er:
 
: ''Das Konzert ist die Urerfahrung, mit wem du deine Musik teilst. Wenn neben dir Stumpfstudenten stehen, die jede Zeile mitsingen, weil sie es witzig finden, und selbstironisch mitsingen,­ das ist dann eine ganz harte Grenzerfahrung.''
 
In einigen [[Subkultur]]en, wie beispielsweise in der [[Dark Wave|Dark-Wave]]-Szene, der [[Gothic (Kultur)|Gothic]]- oder der [[Metal]]-Kultur, gibt es, wie im [[Humanismus]] oder auch in der [[Romantik]], eine Hinwendung zum Gefühl der [[Melancholie]]. Hier ist düstere oder auch triste Musik gefragt. Oftmals aus dem Lateinischen abgeleitete Bandnamen, wie die der skandinavischen Metal-Bands [[Tristania]] oder [[Tristitia]] oder der niederländischen Formation [[Officium Triste]], verdeutlichen dies. Der Begriff ist in diesem Fall allerdings nicht mehr ausschließlich negativ konnotiert, sondern wird auch für Werbezwecke verwendet.<ref name="memuru">[http://www.memuru.de/index.php?dat=2003-10-27 Beispiel für die Verwendung des Begriffs Tristesse in einer Kritik einer CD der Band Tiamat]</ref> Ästhetisch eher triste Musik ist aber nicht auf diese Subkulturen beschränkt: Bands wie [[The Cure]], [[Joy Division]] oder [[Dead Can Dance]] sind berühmt für ihre eher depressive und mitunter tristen Stücke. Auch in der Popmusik sind triste Motive immer wieder anzutreffen.<ref name="zeit">[http://www.zeit.de/2007/10/W-Tokio-Hotel Zeit Artikel über Tokio-Hotel „Tristesse für Millionen“]</ref>
 
Sehr eintönige Musik findet sich auch in der [[Minimal Music]] und in der Musik der [[Avantgarde]]. Vor allem in der [[Serielle Musik|seriellen Musik]] wird als ein Stilmittel mitunter ein Ton sehr lange, manchmal minutenlang gehalten. Der [[Fluxus]]-Künstler [[George Brecht]] komponierte 1963 „''Water-Yam''“, Stücke aus dem Tropfen eines [[Wasserhahn]]s. Solche minimalen bis monotonen Stücke sind durch eine große immanente Tristesse gekennzeichnet, häufig wird jedoch beim Hören dieser Art von Musik auch eine Spannung ([[Suspense]]) empfunden.
 
=== Malerei ===
 
[[Bild:Jan van Goyen 006.jpg|thumb|right|[[Jan van Goyen]]: Landschaft mit zwei Eichbäumen (1641)]]
[[Bild:Caspar David Friedrich 029.jpg|thumb|right|[[Caspar David Friedrich]]: Mönch am Meer (um 1808/9)]]
 
In der [[Malerei]] spielt das Gefühl der Tristesse vor allem in der [[Landschaftsmalerei]] eine große Rolle. Hier kann mit grauen, braunen oder erdigen Tönen oder mit tiefhängenden, schweren Himmeln leicht eine triste Stimmung erzeugt werden.<ref name="wolf">Georg Jakob Wolf: ''Joseph Schmid-Fichtelbergs Landschaften'' in ''Die Kunst, Monatshefte für freie und angewandte Kunst XXXXI.'' F. Brickmann A.-G. München 1920. Seite 104</ref>
 
Beliebt war dieses Motiv in der niederländischen Landschaftsmalerei des späten 17. Jahrhunderts, vor allem [[Jacob van Ruisdael]] und [[Jan van Goyen]] malen in dieser Zeit oft düstere und schwermütig wirkende Landschaften mit dramatischen Wolkenformationen, absterbenden Bäumen und herabstürzenden Wasserfällen. Diese Bilder werden zu Ausdrucksträgern subjektiver Empfindung und des Gefühls der Tristesse. Seit dem [[Humanismus#Humanismus_als_Epochenbegriff|Humanismus]] avancierte die [[Melancholie]] zu einer [[Modekrankheit]], und galt auch in der [[Romantik]] als schick. Aus diesem Grund trafen die Bilder bei einem großen Publikum auf Wertschätzung.
 
Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts war vor allem [[Caspar David Friedrich]] für die Tristesse in seinen Bildern berühmt. Er verkörperte den typischen Romantiker: eher [[introvertiert]], weltscheu, naturverbunden und religiös. Seine Bilder werden oft als melancholisch interpretiert. Die Themen kreisten häufig um Sein, Vergehen und Werden, so hat er sich zum Beispiel gefragt:
 
: ''Warum, die Frag’ ist oft zu mir ergangen, wählst du zum Gegenstand der Malerei so oft den Tod, Vergänglichkeit und Grab? Um ewig einst zu leben, muss man sich oft dem Tod ergeben.''
 
Dabei entfernte sich Caspar David Friedrich immer mehr von dem zu seiner Zeit verbreiteten Motiv des Erhabenen, das einen angenehmen Schauer auslösen sollte. Statt dieser Erhabenheitsinszenierung schuf er eindringliche Dokumente voller Tristesse. [[Heinrich von Kleist]] fasst dies in dem berühmten Text ''Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich'' in die Worte:
 
: ''Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reiche des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis. Das Bild liegt, mit seinen zwei oder drei geheimnisvollen Gegenständen, wie die [[Apokalypse]] da, als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären.''<ref name="kleist">Heinrich von Kleist: ''Empfindungen vor Friedrich’s Seelandschaft'' in Reinhold Steig (Hrsg.) ''Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe.'' Spemann,Berlin, Stuttgart, 1901. Seiten 262-268</ref>
 
=== Fotografie und Film ===
 
[[Bild:Katrin-briedermann-02.jpg|thumb|right|180px|Schwarzweißfotografie]]
 
Stilmittel, die in der Malerei für Tristesse stehen, werden mitunter auch in der [[Fotografie]] angewandt. Im Gegensatz zu wärmeren, erdigen oder braunen Tönen werden hier aber vor allem [[Farbtemperatur|kalte Farben]] wie zum Beispiel blau verwendet, um Tristesse auszudrücken. Bei der Darstellung von Landschaften werden bedrohlich wirkende Himmel mit Hilfe von [[UV-Filter]]n, [[Skylightfilter]]n und [[Polfilter]]n erzeugt. Fotos in Schnee und Regen haben einen sehr geringem Tonwertumfang, was trist und langweilig wirkt.
 
In der [[Schwarzweißfotografie]] werden Orange- oder Rotfilter verwendet, um dramatische und dunkle Himmel zu erzeugen. Dieser Effekt ist mit Digitalkameras und Farbfilmen im Nachhinein nicht simulierbar. Fotos mit starkem [[Weitwinkel]] und wenigen oder keinen Personen gelten als trist, die Motivwahl ist hierbei relativ unwichtig.
 
[[Karl Lagerfeld]] verwendete bei seinen Fotos von [[Claudia Schiffer]] in [[Amalfi]] 1992 bewusst grobkörnige Filme und Regen, ließ sie nach unten schauen. So entstanden Fotos, die trotz der leicht warmen [[Naturfarben#Chamois|Chamois]]-Tönung trist und bedrohlich wirken.<ref name="lagerfeld">Karl Lagerfeld: ''Claudia Schiffer'' Wilhelm Heyne Verlag, München 1995. ISBN 3-453-09701-7</ref>
 
Die [[Sowjetunion|sowjetische]] [[Filmkunst]] ist berühmt für ihre Darstellung von Tristesse. So verwendet [[Sergej Eisenstein]] im zweiten Teil von ''[[Iwan der Schreckliche I (Film)|Iwan der Schreckliche]]'' starke Kontraste und Spotbeleuchtung, um bedrohliche oder langweilige Szenen zu dokumentieren. Auch [[Andrei Arsenjewitsch Tarkowski|Andrei Tarkowski]] ist bekannt für minutenlange Kameraschwenks und [[Plansequenz]]en, die vor allem in seinem Film ''[[Stalker (Film)|Stalker]]'' zum Einsatz kommen. Post[[Apokalypse|apokalyptisch]] anmutende [[Kulisse (Bühne)|Kulisse]]n verfallender Industrielandschaften, in denen die Natur bereits wieder die Oberhand gewinnt, und der gezielte Einsatz von Schwarz-Weiß-Sequenzen schaffen hier eine dichte Atmosphäre voller Tristheit zwischen Traum, Melancholie und Pathos.
 
Triste Landschaften sind auch im nordischen Film verbreitet. Bei ''[[Nói Albínói]],'' einem [[Island|isländischen]] Film von [[Dagur Kári]], wird die Tristesse eines einsamen Dorfes auf Island beschrieben. Der [[Norwegen|norwegische]] Film ''[[Kitchen Stories]]'' von [[Bent Hamer]] thematisiert die Alltagstristesse eines einsamen alten Mannes. Der finnische Regisseur [[Aki Kaurismäki]] ist berühmt für seine tristen Kompositionen, so dass er als der „''Chef-Melancholiker des europäischen Autorenkinos''“ gilt.<ref name="gansera">Rainer Gansera: ''Down and Out in Helsinki und Hof, Begegnung mit Aki Kaurismäki.'' In: ''epd Film 12/2006'', Seite 25</ref>
 
Im US-Film steht Handlung mehr im Vordergrund; zwar wirken Filme von [[David Lynch]] ''([[Lost Highway]])'' oder [[Russ Meyer]] ''([[Die Satansweiber von Tittfield]])'' bedrohlich und düster, diese Filme sind jedoch so reich an [[Actionfilm|Action]], dass sich Tristesse als Emotion nicht einstellt. Dies gilt auch für Endzeitfilme wie ''[[Der Tag danach]]'' oder ''[[Mad Max]],'' die im Gegensatz zu ''Stalker,'' sehr handlungsreich und schnell sind.
 
=== Architektur ===
 
[[Bild:Tram stop Am Klinikum - Jena - Lobeda, Germany - December 2003.JPG|thumb|right|Plattenbauten in Jena-[[Lobeda]]]]
 
Während Profanbauten bis ins Mittelalter fast ausschließlich als Zweckgebäude errichtet wurden und nur die wohlhabenden Schichten Bauwerke schmückten, wurde im 20. Jahrhundert begonnen, über Lebensqualität nachzudenken. Innenstädte waren oftmals eng und dunkel, wirkten bedrohlich und wenig attraktiv.
: ''An den Bauten und ihren Teilen, auch an anderen Dingen und Lebensäußerungen der dazwischenliegenden Jahrhunderte erkennt man deutlich, wie die Menschen freier und bewusster, die Bauten heller und leichter geworden sind. Für den modernen Menschen nicht mehr Festung gegen Feinde, Räuber oder Dämonen, sondern der unaufdringliche, schöne, befreiende Rahmen für das Leben und Gehaben, aufgeschlossen der Natur und doch allseitig ausgezeichnet geschützt vor ihrer Unbill, Tristesse, Wind und Wetter.''<ref name="neufert">Prof. Ernst Neufert, Bauentwurfslehre, Bauwelt-Verlag / Berlin SW 68, 1936, Seite 33</ref>
 
In der Architektur wird Tristesse meist synonym für [[Plattenbau]]ten der 1970er Jahre verwendet. Wie in anderen Kunstrichtungen wechseln sich in der Geschichte der Architektur stark geschmückte Perioden mit weitgehend schmucklosen Stilen ab. Der [[Modernisme|Modernisme Català]] mit den bekannten Vertretern [[Antoni Gaudí]] und [[Lluís Domènech i Montaner]] war dabei eine extrem verspielte Version des in ganz Europa verbreiteten [[Jugendstil]]s.
 
[[Bild:Acid tower (aka).jpg|thumb|left|180px|Der Crossener Säureturm]]
: ''Die Modernisme … fand in privaten und öffentlichen Bauten monumentalen Charakters sowie überschwenglicher Formen und Farben seinen Ausdruck. Er trieb die Handwerkskunst in den Bereichen Keramik, Eisenschmiede und Kunsttischlerei zu neuer Blüte…''<ref name="crippa">Maria Antonietta Crippa und Antoni Gaudí: ''Gaudi. Von der Natur zur Baukunst.'' Taschen Verlag, Köln 2003. Seite 11. ISBN 3-8228-2442-9</ref>
 
Dieser Phase folgte eine triste und schmucklose Phase der [[Klassische Moderne|Klassischen Moderne]], in Deutschland als [[Bauhaus]] bekannt.
: ''Infolge der jammervollen Wohnverhältnisse in den Mietskasernen ist es vielfach sogar den besten Eltern nicht möglich, ihre Kinder körperlich, geistig und seelisch zu tüchtigen Menschen zu erziehen. Die Folgen der Tristesse sind Beschränkung der Kinderzahl und Ehelosigkeit.''<ref name="blum">Handbibliothek für Bauingenieure, Städtebau, Prof. Dr. Otto Blum, Verlag von Julius Springer 1937, Seite 13</ref>
 
Triste Gebäude bestehen aus einfachen geometrischen Formen, meist Quadern. Schmuckelemente sind selten oder nicht vorhanden. Für die Umsetzung dieser Bauform haben sich weitgehend Betonfertigteile durchgesetzt, die eine sehr effektive Bauweise darstellen. Ab Mitte der 1980er Jahre war der Trend zu erkennen, Plattenbauten mit Schmuckelementen zu versehen oder die Bauweise weniger deutlich zum Ausdruck zu bringen. Ein typisches Beispiel hierfür ist das [[Nikolaiviertel]] in Berlin-Mitte.
 
Durch einfache, aber massenhaft einsetzbare Gestaltungsmittel wurde versucht, den tristen Charakter der Gebäude etwas abwechslungsreicher zu gestalten. So wurde als Außenverkleidung gewaschener Kies oder Fliesen verwendet. Die anfangs rechtwinklige Anordnung der verschiedenen Wohnblöcke schafft bei höheren Häusern Schluchten, die die vorhandene Windgeschwindigkeit teilweise drastisch erhöht. Aus diesem Grund ist es in Neubauvierteln quasi nie windstill und die Geräusche des Windes erzeugen eine anhaltende – wenn auch geringe – [[Lärmemission]]. Diese Windgeräusche machen derartige Wohngegenden zusätzlich unangenehm. Aus diesem Grund wurden ab etwa 1980 Neubaugebiete nicht mehr durchgängig rechtwinklig errichtet.
 
Als trist wird auch oft funktionale Industriearchitektur angesehen. Seit der [[Klassische Moderne|Klassischen Moderne]] sind Industriebauten weitgehend schmucklos, die Form folgt der Funktion. Farben wurden nur verwendet, wenn sie einen baulichen Grund hatten, beispielsweise als Rostschutz. So entstanden Bauwerke, die allerorten weitgehend gleich aussehen. Dieser Trend wird erst in den letzten Jahrzehnten gebrochen. Industriebauten bleiben weiterhin relativ schmucklos, erhalten aber bunte Farben sowie Farbkontraste.
 
[[Bild:Berlin schlesische-str-7 bonjour-tristesse 20050224 p1010029.jpg|thumb|right|Wohnhaus „Bonjour Tristesse“ in Berlin-Kreuzberg]]
 
Ein Beispiel für ein als „trist“ angesehenes Gebäude ist das Wohnhaus „Bonjour Tristesse“ des portugiesischen Architekten [[Álvaro Siza]], das an der [[Schlesische Straße (Berlin)|Schlesischen Straße]] Nr.&nbsp;8 im Berliner Stadtteil [[Berlin-Kreuzberg|Kreuzberg]] steht. Es wurde 1982/83 erbaut und schließt eine Kriegslücke im [[Altbau]]bestand der Straße. Der Entwurf Sizas sah pro Etage eine Ausstattung mit vier großen Wohnungen vor, die durch vier [[Treppenhaus|Treppenhäuser]] erreichbar sein sollten. Außerdem sollten in das [[Erdgeschoss]] verschiedene soziale Einrichtungen integriert werden. Aus Kostengründen wurde der Plan jedoch modifiziert: Heute gibt es zwei Treppenhäuser, über die 46 Wohnungen erreichbar sind.
 
Den Namen bekam das Wohnhaus nicht vom Architekten, sondern durch einen unbekannten [[Graffiti|Sprayer]], der die Worte „''Bonjour Tristesse''“ auf den gut sichtbaren Giebel des Eckhauses sprühte. Diese Worte wurden oftmals als Kritik an der grauen Fassade gedeutet, die innerhalb des abwechslungsreichen Straßenbildes durch eintönige Fenstergestaltungen in immer gleichen Abständen charakterisiert ist. Eine erkennbar abgesetzte Sockelzone oder einen Dachabschluss, wie er in der 90 Jahre älteren, umgebenden Architektur üblich war, gibt es nicht. Die einzige Abwechslung wird durch eine leicht geschwungene Bauform sowie eine hohe [[Attika (Architektur)|Attika]] (zurückragender Mauerbereich über dem obersten Geschoss) erreicht.<ref name="mende">Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg): ''Berliner Bezirkslexikon Friedrichshain-Kreuzberg; Stichwort: Wohnhaus Bonjour Tristesse''. Haude&nbsp;&&nbsp;Spencer, Berlin 2003, Seiten 402/403; ISBN 3-7759-0474-3</ref>
== Literatur ==
* [[Françoise Sagan]]: ''Bonjour Tristesse''. Ullstein Taschenbuch Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-548-26277-5 (zuerst 1954)
* Joachim Bessing: ''Tristesse Royale. Das popkulturelle Quintett''. List Taschenbuch Verlag, Leipzig 2001, ISBN 3-548-60070-0.
== Weblinks ==
* [http://www.fahrradmonteur.de/claudia-schiffer-tristesse/index.htm Beispielfoto: Claudia Schiffer von Karl Lagerfeld]
== Einzelnachweise Fußnoten ==
<references />
 
== Siehe auch ==
* [[Saudade]]
 
 
[[Kategorie:Ästhetik]]

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