Hagedorn

Aus Fahrradmonteur
Zur Navigation springenZur Suche springen

Hagedorn


Die Drehnitzwiese an der Wildparkstraße war der Tatort des dritten Mordes.

Wenn es ein Unwort in Eberswalde gibt, dann ist dies „Hagedorn“. Speziell bei den älteren Generationen, die das noch live erlebt haben aber durch direkte Mundpropaganda auch bei später Geborenen. Der Kindermörder von Eberswalde hat jahrelang das Geschehen der Stadt mitbestimmt.

Wir hatten als Kinder in der Schule noch wöchentliche Belehrungen, dort wurden wir anfangs darüber aufgeklärt, wie wir uns bei Fundmunition verhalten sollen, wenn wir etwas beim Spielen entdecken. Das beeinflußte natürlich auch unsere Phantasie, was man am Franzosenbunker so alles ausgraben könne. Nach den Morden anderten sich die Belehrungen dahingehend, daß wir nicht allein in den Wald gehen sollen und daß wir niemals mit Fremden sprechen oder etwas von ihnen annehmen sollen. Schon gar nicht sollten wir mitgehen. Diese Belehrungen zeigten durchaus Wirkung. Wir sind nicht mehr allein (naja mit Ausnahmen) in den Wald gegangen. Und da wir ohnehin in Gruppen unterwegs waren, sind auch Mädchen mitgekommen an den Franzosenbunker, vorher undenkbar. Dort konnten wir stolz berichten, was es zu sehen gab. Es war zwar nicht viel aber das interessierte nicht.

Irgendwo im Wald beim Franzosenbunker hat Erwin Hagedorn seinen späteren Opfern aufgelauert, das wurde aber erst später bekannt. Nach den ersten Morden im Mai 1969 wurde es irgendwann ruhig, am 7 Oktober 1971 nach dem dritten Mord war die Stadt, besonders aber der Ortsteil Westend wie umgewandelt. Kein Kind durfte mehr ohne Begleitung Erwachsener aus dem Haus, wir wurden zur Schule gebracht und wieder abgeholt. Das dritte Opfer wohnte 2 Blöcke vor mir, er war 4 Jahre älter, 12 Jahre alt. In der Schule war ständig Polizei präsent, wir wurden mehrmals befragt. Da mein Kinderzimmer das Fenster Richtung Wald hatte, war die Polizei auch bei uns zu Hause und wollte wisse, was ich vielleicht seltsames bemerkt haben könnte. An Spielen im Wald war nicht zu denken, für zwei Monate spielte sich unser Leben weitgehend in den Wohnungen ab. Nachdem der Mörder Mitte November gefaßt war, konnten wir auch wieder in unseren Wald. Die Ereignisse um den Kindermörder haben unser Verhalten nachhaltig geprägt. Tauchte ein Fremder im Wald auf, sind wir davongelaufen und haben uns gegenseitig gewarnt: „Der Kindermörder kommt“. Die Belehrungen in der Schule blieben aber noch lange Zeit wie gehabt.