Fahrradbremsen

Aus Fahrradmonteur
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Inhalt


Einteilung


Das Prinzip ist nicht nur bei allen Fahrrädern gleich sondern bei allen Fahrzeugen: irgendwo wird ein Rad "festgehalten", um es zu verlangsamen. Im einfachsten Fall klemmt man seinen Schuh zwischen Rahmen und Laufrad und man hat eine Bremse.

Art der Kraftübertragung

Die Kraft wird von den Händen (beim Rücktritt mit den Füßen) zur eigentlichen Bremse übertragen. Die Kraftübertragung kann mechanisch oder hydraulisch erfolgen. Experimente mit pneumatischen und elektrischen Systemen sind nie serienreif geworden und werden hier nicht betrachtet.

Mechanische Kraftübertragung

Bei Gestängebremsen und Rücktritt hat man dabei zumindest in der Kraftübertragung keinen nennenswerten Verlust. Gestänge und Kette leiern zwar auch irgendwann aus aber das kann man vernachlässigen.

Bowdenzüge sind die häufigste Art der Kraftübertragung am Fahrrad. Während die eigentlichen Drähte des Innenzuges ziemlich maßstabil sind, kann man das von vielen Außenzügen nicht behaupten. Sie altern, dröseln auf, ermüden, alles wird irgendwann schwammig. Allerdings ist so ein Bowdenzug auch sehr billig und schnell ohne Sonderwerkzeug getauscht. Hochwertige (und damit teure) Bowdenzüge haben jedoch kein Spiel und halten dies auch über lange Zeit. Wie so oft ist hier also keine klare Aussage möglich, es kommt mal wieder drauf an, welche Teile man verbaut hat.

Hydraulische Kraftübertragung

Eigentlich sind hydraulische Bremsen eine gute Sache. Allerdings haben sie keinen harten Druckpunkt wie man ihn etwa von Petterson oder Rennbremsen kennt. Man kann Hydraulikbremsen nicht "knallhart" einstellen. Sie bremsen ganz gut aber nicht so toll, wie das die Werbung gerne verkaufen möchte. Experimente mit Profisportlern und Hydraulikbremsen führten dazu, daß diese die Weiterfahrt mit ihren Rennrädern verweigerten, wenn sie nicht wieder Seitenzugbremsen bekommen.

Ort des Bremsens

Felge / Reifen

Reifenbremsen
haben an normalen Fahrrädern nichts mehr zu suchen, auch wenn ihre Bremswirkung besser als beispielsweise ein Rücktritt sind. Die Gummiklotzbremsen sind total veraltet, es gibt fast keine hochwertigen Systeme, der Reifenverschleiß ist extrem hoch. Bis etwa 1980 waren Fahrradreifen deutlich haltbarer als heute, ein Mantel konnte gut einige Jahrzehnte halten. Nun möchten aber doch die Reifenhersteller auch Geld verdienen und das geht nicht, wenn die Dinger ewig halten.... Ein alter Reifen übersteht die Tortour einer Reifenbremse, ein moderner jedoch nicht.
Felgenbremsen
Die Unterscheidung in Gabelbrücken- oder Cantileverbremsen ist unnötig, V-Brake ist nur ein anderer Name für eine moderne Cantileverbremse. Alle bremsen die Felge, sind also aus physikalischer Sicht etwa gleichwertig. Baut man eine Canti so an, daß zwischen beiden Bremsschenkeln ein Bowdenzug quasi waagerecht gespannt ist (das geht nicht bei allen Modellen) und zieht man dann mittig an diesem Zug, hat man (zumindest theoretisch) unendlich hohe Bremskraft.

Scheibe

Scheibenbremsen
sind ein guter Kompromiß, allerdings nur, wenn die Ansteuerung hydraulisch erfolgt. Von den allermeisten mechanischen Scheibenbremsen sollte man die Finger lassen. Wer mit einer der wenigen Ausnahmen liebäugelt, weiß sowieso, was er macht...

Nabe

Rücktritt, Trommelbremse
Bremssysteme, die in Naben eingebaut sind, sind schon allein aus physikalischen Gründen veraltet und unsicher. Sie weisen einige Vorteile auf, diese kompensieren jedoch nicht die gravierenden Nachteile. Der extrem kleine Hebelarm, noch kleiner als an Scheibenbremsen, macht es erforderlich, daß mit sehr hohem Anpreßdruck gebremst werden muß. Dies führt zu großer Hitzeentwicklung, was bei den geschlossenen Systemen problematisch ist. Überhitzte Bremsen neigen zum Fading, verlieren an Bremswirkung und versagen plötzlich, wenn der Nabenkörper bricht. Der Rücktritt ist als Betriebsbremse ungeeignet, da er nicht immer zur Verfügung steht. Strenggenommen widerspricht diese Bauart damit der deutschen StVZO. Nur bei waagerechter Pedalstellung kann man einen Rücktritt bedienen, bei vertikalen Pedalen ist ein Bremsen unmöglich.



Wirkung


Aus physikalischer Sicht ist es am effektivsten, ein sich drehendes Rad so weit wie möglich außen zu bremsen, die alten Gummiklotzbremsen sind also gar nicht so dumm. Wenn es rein um Hebelwirkungen geht, haben Gummiklotzbremsen die Nase vorn, sie entwickeln die größten Drehmomente. Bremsen in der Nabe (Rücktritt oder Trommel) sind hier die schlechtesten, gleich gefolgt von Scheibenbremsen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Die Bremswirkung wird auch durch die Reibungsfläche mitbestimmt. Hier ist wiederum die Rücktrittbremse vorne, die Scheibenbremse schneidet am schlechtesten ab. Allerdings ist die Reibung Metall auf Metall beim Rücktritt sehr ineffektiv. Diese veraltete Technik ist auch neben Deutschland und den Niederlanden fast nur noch in Skandinavien anzutreffen. In den nordischen Ländern, weil der Rücktritt kaum einfrieren kann und ihm Schnee nichts ausmacht. In den Niederlanden und Deutschland gibt es keinen vernünftigen Grund für die Verbreitung dieser Bremsart, es ist wohl Tradition.

Felgenbremsen haben die besten physikalischen Voraussetzungen, da bei ihnen die Bremse an einem sehr großen Durchmesser angreift. Die Felge ist ja eigentlich auch nichts weiter als eine sehr große Scheibe. Billige Felgen kann man beim Bremsen eindrücken, Stahlfelgen haben meist eine schlechte Bremswirkung. Felgen nutzen sich außerdem ab. Trotzdem sind sie die sinnvollste Fahrradbremse

Scheibenbremsen sind ein Hype der Zeit ab etwa 2000. Eigentlich haben sie nur Nachteile, sie sind aber beliebt und irgendwie momentan "in". Die stärksten Bremsleistungen am Fahrrad werden im Radrennen gefordert und da gibts ausschließlich mechanische Felgenbremsen. (Nicht mehr so)

Die höchsten Bremswirkungen am Fahrrad erzielt man mit einer Pedersen, das ist eine Cantileverbremse mit innenliegender Schnecke zur unbegrenzten Bremskraftverstärkung. Diese Bremsen wurden wegen zu starker Wirkung nach Produktklagen in den USA vom Markt genommen, leider.



Wartung


Rücktrittbremsen
Wartung nahezu Null, alle paar Jahrzehnte sollte man mal das Fett tauschen und Verschleiß messen
Felgenbremsen
ordentliche Bremsklötze halten nur einige tausend km, Vielfahrer müssen auch ab und an die Felge tauschen
Scheibenbremsen
statt Verschleiß der Felge gibts Verschleiß der Scheibe. Die Scheiben verbiegen gerne (Fahrradständer), das Richten ist nicht einfach
Bowdenzüge
müssen an den Ein- und Austrittsstellen des Stahlseils regelmässig geölt werden Da hier teilweise Metall auf Metall reibt. Innen sind Bowdenzüge heute in der Regel mit Kunststoff beschichtet und brauchen nicht komplett geölt werden. Am Ende des Seiles sollte eine Endkappe aufgepresst werden um ein Ausfransen zu verhindern. Zur Sicherheit sollten die Stahlseile, vor allem an der Vorderradbremse, regelmässig ausgebaut und auf Verschleiss und gerissene Kardeelen überprüft werden (bei täglicher Benutzung und sportlicher Fahrweise ca. alle 2 Jahre).
Hydraulik
ist angeblich wartungsfrei, das stimmt aber nicht. Hydraulikflüssigkeit ist hygroskopisch.Das bedeutet, die Hydraulikflüssigkeit, so sie auf Polyglykolbasis hergestellt wurde (DOT 3, 4, 5.1 und 6 , nicht jedoch DOT 5) bindet Wasser. Das Wasser wird hierbei in der Bremsflüssigkeit gelöst und setzt den Siedepunkt herunter (Naßsiedepunkt, also bei 3,5% Wassergehalt, DOT 3 ca. 140°C, DOT 4 ca. 165°C, andere Spezifikationen z. T. deutlich darüber). Das Wasser gelangt übrigens durch undichte Ausgleichsbehältermembranen, Diffusion oder unsauberes Arbeiten in die Anlage. Der Wechsel wird bei KFZ in der Regel nach 2 Jahren vorgeschrieben, beim Rad würde ich das auch so halten, die Kosten halten sich im Rahmen. Auch Mineralöle, die vordergründig den Vorteil der fehlenden Hygroskopie haben, sind nicht wartungsfrei. Der Vorteil, dass Mineralöl kein Wasser bindet, ist auch sein großer Nachteil. Gelangt Wasser auf den oben beschriebenen Wegen ins System, so liegt es als Wassertropfen vor und wird nicht gelöst. Befindet sich dieser Tropfen in der Bremszange, so kann er auf über 100°C erhitzt werden. Solange der Druck in der Anlage beim Bremsen über dem Dampfdruck liegt bleibt das Wasser flüssig. Löst man die Bremse, dann verdampft der Tropfen schlagartig und der Hebel fällt bei der nächsten Bremsung ins Leere.

Außerdem reicht ein einfaches Umfallen des Fahrrades, um ein Hydrauliksystem zu zerstören, z.B. durch abbrechende Bremshebel, dann ist eine Reparatur unterwegs nahezu unmöglich.



Mythos Rücktritt


Kombinationen von Rücktritt mit Kettenschaltungen gab es zwar, sie haben sich aber nicht bewährt, hier ein Modell aus Mitte der 50er Jahre
Indisches Fahrrad in Afrika: Gestängebremse

Deutschlands Radler lieben den Rücktritt. Der war immer da, das kenne ich so, das muß so bleiben. Komischerweise gibt es diesen Effekt nur in Deutschland, teilweise auch in den Niederlanden. In allen anderen Ländern hat sich der 1903 von Sachs erfundene Rücktritt entweder nicht etablieren können oder ist längst wieder aus dem Straßenbild verschwunden. Daß diese veraltete und unsichere Technik in Deutschland weiter ziemlich beliebt ist, ist logisch nicht erklärbar. Wahrscheinlich sind die Deutschen viel konservativer als andere Nationen.

Es gibt faktisch keine schlechtere Fahrradbremse als den Rücktritt. Selbst die Stempelbremse ist physikalisch gesehen im Vorteil, von ihr gibt es allerdings keine auch nur halbwegs modernen Modelle.

  1. Der Rücktritt ist unsicher! Dies ist der wohl gravierendste Nachteil, man kann nur bei bestimmter Pedalstellung bremsen, die Bremse steht also nicht immer zur Verfügung. Spontane Notbremsungen sind fast unmöglich.
  2. Rücktrittbremsen sind unsicher, weil die Bremsleistung schlecht dosierbar und allgemein zu niedrig ist
  3. Lange Bergabfahrten sind quasi unmöglich, da die Bremse überhitzt und brechen kann
  4. In vielen Schaltnaben verändert sich die Bremswirkung je nach eingelegtem Gang
  5. Rücktrittnaben sind schwer
  6. Eine sinnvolle Kombination mit Kettenschaltungen ist nicht möglich
  7. Pedale können nicht rückwärts getreten werden, z. B. zum Positionieren vor dem Anfahren
  8. Rücktrittbremsen funktionieren nur bei funktionsfähiger Kette (ok, die verliert man relativ selten)

Renommierte Hersteller haben den Rücktritt nicht im Programm (Rohloff Speedhub 500/14) oder bieten den unsicheren Rücktritt ausschließlich in Deutschland an. Selbst Fahrräder für Afrika, die extreme Langlebigkeit und robuste Technik benötigen, haben heute keinen Rücktritt mehr sondern Gestängebremsen auf Cantileversockel oder modifizierte Felgenbremsen. Rücktritte haben freilich auch Vorteile:

  1. In der Praxis Wartungsfrei und verschleißarm
  2. weitgehend witterungsunabhängig
  3. robust und zuverlässig, solange sie nicht überhitzen oder gute Bremsleistungen erforderlich sind

Christian Smolik meinte Anfang der 90er Jahre:

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Der Rücktritt gilt als betriebssicherste Fahrradbremse schlechthin (kein Festrosten von Bowdenzügen, keine von der Felge abrutschenden Bremsklötze). [1]

Allerdings bemerkt er dort ebenfalls: „Nachteilig wirkt sich hingegen aus, daß aus dem Tretfluß heraus nahezu eine viertel Umdrehung zurückgetreten werden muß, was den Einsatz der Bremswirkung (sogenannte "Ansprechzeit") verzögert. Bei Kindern sieht man häufig mangels Beinkraft, daß sie noch unter Umständen eine halbe oder gar dreiviertel Umdrehung weiter treten, bis sie ihren Bremspunkt gefunden haben. Das ist eine Kurbelstellung, bei der die Kurbeln in etwa waagerecht stehen um so eine günstigere Wirkung für die Bremsung ausüben zu können. Da vergehen zum Teil wichtige Bruchteile von Sekunden, die den Anhalteweg unnötig verlängern.“ Das obige Zitat von Smolik bezieht sich auf die fahrradtechnik Anfang der 90er Jahre, festrostende Bremszüge sollten wie abspringende Ketten bei einigermaßen Wartung nicht vorkommen, die von der Felge abrutschenden Bremsklötze sind ein Phänomen der Stahlfelgen und sowas tritt heute nicht mehr auf. Somit ist diese Aussage obsolet, es bleiben lediglich die Nachteile des Rücktritts übrig.



Mythos Scheibenbremsen


Wegen zu hoher Bremswirkung und darauf folgenden Produktklagen in den USA vom Markt genommen: Suntour SE XC Pederson

Scheibenbremsen sind schick, sie sind „in“. Wer keine Scheibenbremsen am Fahrrad hat, ist ein Loser. Zumindest will uns die Industrie das suggerieren. Tatsächlich ist es jedoch so, daß außer im echt sportlichen Einsatz bei Mountainbikes (damit ist Leistungssport gemeint) Scheibenbremsen mehr Nachteile als Vorteile bieten:

  1. Scheibenbremsen sind schwerer als Felgenbremsen
  2. Scheibenbremsen sind meistens teurer
  3. Scheibenbremsen sind extrem anfällig gegen kleinste Verformungen der Scheibe
  4. Die Bremswirkung von Scheibenbremsen ist nicht höher als die von Felgenbremsen

Gerade der dritte Punkt ist immer wieder Grund für Diskussionen, dabei ist es doch ganz einfach: Felgenbremsen sind physikalisch gesehen auch Scheibenbremsen, die Felge ist die Scheibe. Da diese aber einen ungleich größeren Durchmesser hat, ist die erzielbare Bremswirkung bei Felgenbremsen sehr viel höher. Die mit Abstand stärkste Fahrradbremse ist die Pederson, eine Cantileverbremse mit Schneckenantrieb.

Wer Scheibenbremsen "schick" findet, wer sie als Statussymbol braucht, der ist damit richtig beraten. Wer als Leistungssportler mit dem MTB durch Schlamm fährt, der braucht auch Scheibenbremsen. Für alle Anderen wäre eine Felgenbremse die bessere, preiswertere und leichtere Variante. Stadtradlern, ohne Steigungen und vorsichtigen Langsamfahrern sei von einer Scheibenbremse dringend abzuraten, da deren Bremsbeläge bei dauernder nur leichter Benutzung (und Erhitzung) immer glatter werden und die Bremswirkung langsam bis zum Ausfall nachlässt.



Mythos Hydraulik


Wie manch Anderes ist die Hydraulik aus dem KFZ-Bereich herübergeschwappt. Erste Versuche gab es bereits vor vielen Jahrzehnten, erst mit Aufkommen der Scheibenbremsen waren erhöhte Drücke erforderlich und man erinnerte sich wieder an Hydraulik. Wie Avid beweist, geht das aber ebenso mit den bewährten Bowdenzügen. Hydraulik ist teuer, schwer und im Falle eines Defekts unterwegs nicht reparabel. das Ansprechverhalten ist schwammiger als bei einer gut eingestellten Bowdenzugbremse. Was macht also die Hydraulik begehrt und erfolgreich?

  1. Hydraulikbremsen sind ein Statussymbol
  2. Das nachstellen der Bremsen ist entweder automatisch oder sehr einfach
  3. von der Werbung wird eine bessere Bremsleistung suggeriert, dies trifft jedoch nicht zu

Laß einfach mal dein Fahrrad mit Hydraulikbremse im Zug umfallen und versuche, das irgendwie wieder gangbar zu machen! es wird dir nicht gelingen, undichte Hydraulik ist ohne Funktion. Ersatzteile sind teuer, Entlüften ist schwieriger als man denkt, Hydraulikflüssigkeit gibts nicht überall - beim Bowdenzug kann man sich meistens mit einem Knoten, einer Lüsterklemme oder sonst einer mechanischen Notlösung behelfen, bei Hydraulik hat man schlicht keine Bremse mehr.



Mythen im Artikel


Obwohl sich der Autor des Artikels sehr gut mit Fahrrädern und Technik auskennt, scheint er beim Thema Bremsen eine eher subjektive Sichtweise zu haben. Das führt dazu, dass in diesem Artikel Mythen enthalten sind, die ich hier richtig stellen will.

Radrennen stellen hohe Anforderungen an Bremskräfte

Im Kapitel Bremswirkung steht der Satz "Die stärksten Bremsleistungen am Fahrrad werden im Radrennen gefordert" und suggeriert damit, dass beim Radrennen auch die höchste Brems"wirkung" gefordert wird. Das ist aber definitiv falsch.

Erst einmal eine Klarstellung: Der Begriff "Bremswirkung" ist schon mal Unsinn, weil eine Wirkung (Kraft x Weg x Zeit) ist. Diese Größe hat beim Bremsen nur beschränkt Aussagekraft. Anhand des Kontextes gehe ich daher davon aus, dass die Bremskraft gemeint ist.

Die Bremsleistung ist aber nicht die Bremskraft. Eine Leistung ist (Kraft x Geschwindigkeit). D.h. ein Radrennsportler, der bei 100 km/h mit der gleichen Kraft bremst, wie ein Alltagsradler bei 20 km/h, hat beim Bremsen die 5-fache Bremsleistung im Vergleich zum Alltagsradler. Dafür kann aber die Bremse gar nichts - das kommt allein durch die Geschwindigkeit. Nur die Bremskraft ist also ein Merkmal der Bremse, die Bremsleistung ist aber ein Merkmal des Bremsvorgangs und z.B. wichtig für die Wärmeentwicklung: 5-fache Bremsleistung bedeutet 5-fache Wärmeentwicklung.

Also: Ein Radsportler erreicht die höchste Bremsleistung, die Aussage stimmt. Folgert aber noch nicht, dass er auch hohe Bremskräfte braucht. Wie sieht es denn damit aus?

Dazu eine kleine Ãœberlegung:
Die maximal mögliche Bremskraft am Fahrrad ist die, bei der das Fahrrad einen Überschlag nach vorne macht. Mehr geht beim besten Willen nicht. Wenn wir jetzt einen Radrennsportler auf seinem ultraleichtem Carbonrad mit einem Reiseradler vergleichen, der 20 kg Gepäck auf seinem Rad mitschleppt - wer wird da wohl schneller den Überschlag machen?

Der Reiseradler hat also viel mehr mögliche Bremskraft als der Rennradler - warum sollte also der Rennradler höhere Bremskräfte als der Reiseradler fordern?

Ok, Ok: Weil sich die Bremse dann leichter bedienen lässt und die Handmuskeln bei langen Rennen geschont werden.

Mal abgesehen von der Devise "Wer bremst verliert.", auch hier eine kleine Ãœberlegung:
Wer braucht die Bremse die mit möglichst wenig Handkraft die maximale Bremskraft erreicht? Der Rennradler, der mit 100 den Berg runter fährt, möglichst selten bremst und bei dem ein Bremsfehler im wahrsten Sinne des Wortes "tödlich" sein kann? Oder der Reiseradler, der auf der Passabfahrt eine Stunde am Bremshebel hängt um seine Geschwindigkeit in Grenzen zu halten und der seine Bremskraft vorsichtig ans Limit dosieren kann?

Also Fazit: Dieser Satz hat in diesem Kontext nichts zu suchen. Wörtlich ist er korrekt, hat aber keinerlei Aussagekraft für die Argumentation im Kapitel. Sinngemäß zum Kontext ist er schlichtweg falsch.

Hoher Anpressdruck bedeutet große Hitze

Im Kapitel Einteilung steht der Satz "... mit sehr hohem Anpreßdruck gebremst werden muß. Dies führt zu großer Hitzeentwicklung ..." um damit zu begründen, warum Nabenbremsen so leicht überhitzen. Das ist falsch.

Wie ich oben schon geschrieben habe, ist für die Wärmeentwicklung die Bremsleistung wichtig und die ist (Kraft x Geschwindigkeit). In einer Bremsnabe muss wegen dem kleineren Hebel eine viel größere Bremskraft aufgebracht werden, als an der Felge. Allerdings ist in der Nabe die Geschwindigkeit auch viel kleiner: Die Felge muss bei jeder Umdrehung ca. 2 m zurücklegen, die Nabe nur ein paar Zentimeter. Beides hebt sich auf.

Fazit: Die Wärmeentwicklung in einer Bremsnabe ist dieselbe wie bei einer Felgenbremse.

Und warum überhitzen die Nabenbremsen dann so leicht? Nur weil die Kühlung schlechter ist!

Hydraulikbremsen sind schwammig

Der Autor behauptet an mehreren Stellen, dass eine Hydraulikbremse schwammig wäre, bzw. keinen harten Druckpunkt hat. Es ist rätselhaft, wie er zu diesem Schluss kommt. Hydraulik wird genutzt, weil Flüssigkeiten so gut wie nicht komprimierbar sind. Für Hydraulikanwendungen in der Industrie wäre es fatal, wenn sie nicht exakt arbeiten würden.

Ich habe meine Hydraulikbremsen noch mal intensiv mit meiner Rennradbremse verglichen (die ja angeblich so viel härter sein soll) und kann die Behauptung beim besten Willen nicht nachvollziehen. Die Hydraulikbremse hat eindeutig den härteren Druckpunkt.

Ich habe nur zwei mögliche Erklärungen für die Behauptung:

  1. Der Author verwechselt "schwammig" mit "zäh": Hydraulikbremsen fühlen sich evt. nicht so leichtgängig wie Bowdenzugbremsen an. Das liegt an der Viskosität der Hydraulikflüssigkeit und den Dichtungen. Man benötigt also leicht erhöhte Kraft zur Betätigung. Die Kräfte sind aber so gering, dass sie keinen nennenswerten Einfluss auf die Bremskraft oder die Dosierbarkeit haben.
  2. Der Author hat nur schlecht verbaute Hydraulikbremsen getestet: Hydraulikbremsen am Cantilever-Sockel benötigen zwingend einen sogenannten "Brake-Booster" (der im übrigen die Bremskraft kein bisschen "boostet" (verstärkt), sondern nur die Schwammigkeit verringert und die Dosierbarkeit verbessert). Die Hebelverhältnisse am Sockel sind für eine Hydraulikbremse erheblich schlechter und es fehlt der Gegenzug des Bowdenzugs. Daher verwindet sich der Sockel selbst bei dicken Gabeln oder Rahmen und macht die Bremse dadurch schwammig.

Die Pederson wurde wegen zu starker "Wirkung" vom Markt genommen

Das Problem der Pederson ist nicht die Bremskraft, sondern die Dosierbarkeit!

Die Pederson-Bremse ist eine selbstverstärkende Bremse. In einer selbstverstärkenden Bremse wird die Bremsreibungskraft dazu genutzt, um den Anpresskraft zu erhöhen. Eine Bandbremse ist das einfachste Beispiel dafür. Die Selbstverstärkung klingt erst einmal nach einer tollen Idee: Kraft aus dem Nichts. Selbstverstärkung hat aber einen großen Nachteil: Sie ist nur schwer kontrollierbar, weil ja eine Erhöhung der Bremsreibung zum erhöhten Anpressdruck führt, der zu einer erhöhten Bremsreibung führt, die zu einem erhöhten Anpressdruck führt, der zu einer erhöhten Bremskraft führt, der ... . Wenn es keine begrenzenden Faktoren gibt, gibt es eigentlich nur Blockade oder keine Blockade.

Eine selbstverstärkende Bremse kann man eigentlich nur unter optimalen Bedingungen so gestalten, dass sie auch für einen ungeübten Benutzer kontrollierbar ist. Da am Rad aber selten optimale Bedingungen herrschen, ist es so gut wie unmöglich, eine selbstverstärkende Bremse so zu gestalten, dass sie trotz Verschleiß und Dreck immer gut kontrollierbar bleibt. Das größte Problem: Aufgrund von Reibung kommt es zu einer Hysterese: Zieht man stärker am Hebel, erhöht sich die Bremskraft. Lockert man den Hebel, verringert sich die Bremskraft aber bei weitem nicht so, wie sie sich verstärkt hat. Die Bremse ist dadurch nicht mehr intuitiv bedienbar, in einer Notbremssituation blockieren die Vorderräder und man liegt auf der Straße. Durch viel Übung kann man das kompensieren, so dass langjährige Nutzer solch einer Bremse weiterhin von ihr begeistert sind, aber für ungeübte Nutzer gilt: Finger weg!

Kleine Anekdote am Rande: Von Suntour wurde die Pederson genau deshalb nur für das Hinterrad freigegeben. Das macht aber überhaupt keinen Sinn, weil man am Hinterrad beim besten Willen keine Bremsverstärkung braucht: Jede halbwegs ernsthafte Bremse (auch eine Rücktrittbremse) ist ohne Probleme in der Lage das Hinterrad zum Blockieren zu bringen. Wer will da eine Bremse mit brachialer Bremswirkung? (Ja, ich weiß: Beim Reiseradler mit 20 kg Reisegepäck auf dem Gepäckträger blockiert das Hinterrad nicht so leicht)

(Fortsetzung folgt)



Fußnoten


Links